Liesl Fritz, die umtriebige Wirtin im Gehrnerhof sorgt für ihre Gäste. Jede und jeder wird am Morgen herzlich gegrüsst, Liesl ist mit allen per du und fragt mich gleich: „Magst an Dreiminutenei, an Spiegelei, an Rührei, mit Kräutern, mit Speck, mit Schinken?“ Also Rührei mit Speck – so kann der Tag beginnen! In der Gaststube sind alles Lechweg-Wanderer, wir tauschen uns aus; die junge Frau, die gestern Abend aus der uns entgegengesetzten Richtung angekommen ist, ist ganz enttäuscht, als ich ihr von der Sperrung der Etappe nach Lech erzähle. Auch das ältere Paar, das den schweren Niederschlägen in Oberösterreich hierher ausgewichen ist, rät ab.
Draussen ist es immer noch nass, es regnet, und es wabert der Nebel. Und die Zeit rückt unerbittlich vor auf 08:30 Uhr, dann wird unser Gepäck abgeholt. Wir machen uns auch bereit; heute tragen wir drei Schichten, lange Unterhosen, Wanderhosen, und die Goretex-Regenhosen, dazu Handschuhe, Wollmütze (Brige), Dächlikappe (Christof) und je einen Schirm.
Dann geht es los; zunächst auf der gleichen Route, die uns gestern zum Nachtessen im vorzüglichen Holzgauer Haus geführt hat. Da die Temperaturen in der Nacht nicht unter den Gefrierpunkt sanken und es mehr oder weniger immer regnete, liegt heute bereits deutlich weniger Schnee. Dafür ist alles matschig und rutschig.
Wir passieren die Kapelle „Sankt Sebastian“, den höchsten Punkt unserer Tagesetappe und stapfen weiter entlang der Höhenkurve. Wir sind auf dem Panoramaweg, allerdings ist der Ausblick nebelbedingt eher bescheiden.
Eine umgestürzte Fichte versperrt uns an strategisch wichtiger Stelle den Weg, aber das merken wir erst später. Wir klettern über das Hindernis, folgen dem Weg weiter und wundern uns nach 10 Minuten, dass es schon talwärts geht. Das kann nicht sein. Also zurück zur Fichte. Erst jetzt nehmen wir den umgedrückten Wegweiser wahr; wir hätten nach der Fichte den oberen Weg nehmen sollen …
Etwa eine Stunde folgen wir dem Höhenweg auf rund 1’500 Metern Höhe; vom Lech im Tobel rechterhand sehen wir wenig. Dann beginnt der Abstieg auf einer gut ausgebauten Forststrasse, und der Schnee nimmt rasch ab. Rund 100 Höhenmeter tiefer ist alles wieder grün.
Im Talgrund stossen wir auf einen netten Gruss an die Wanderer: Ein Brunnen mit gekühlten Getränken. Gut, bei den aktuellen Temperaturen nähmen wir lieber einen Glühwein.
Das Wetter wird immer besser; das Gewölk verzieht sich, die Sonne wärmt uns und die Gegend sieht wunderbar aus.
Unterwegs stossen wir auf ein weiteres Angebot an die Lechweg-Wanderer. Ein Biobauer bietet in einem Mini-Hofladen Trinkjoghurt, Joghurt und Rohmilch an. Wir leisten uns eine Flasche Trinkjoghurt aus Heumilch mit Mango. Brige ist zuerst skeptisch, putzt dann aber die halbe Flasche im Nu weg.
Immer wärmer und angenehmer wird es; endlich so, wie wir es uns vorgestellt haben. in der Nähe von Steeg verläuft neben unserem Weg ein aussergewöhnlicher Zaun. Wir erfahren, dass es sich um einen Spaltenzaun handelt, der auch unter dem Namen „Arme-Leute-Zaun“ bekannt ist. Der kunstvoll in sich verstrebte Holzzaun ist völlig ohne – damals teure -Nägel oder Schrauben gefertigt.
Unser Weg führt uns dem Lech entlang an Dürnau vorbei, über eine weitere Brücke über den Lech zum Etappenort Holzgau. Holzgau ist hübsch, viele ältere Häuser sind mit Wandmalereien verziert. Diese „Lüftlmalerei“ zeugt vom Reichtum einiger Holzgauer Familien, die ihr Vermögen mit Handel von wertvollen Stoffen machten.
Der Gemeindeplatz in Holzgau ist gut besucht, viele Wanderer bevölkern den Platz und die umliegenden Restaurant-Terrassen. Auch wir leisten uns einen Espresso und einen Cappuccino, bevor wir im Gasthof Bären vom Besitzer Herrn Lumper mit Handschlag begrüsst werden.