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Westerwaldsteig Tag 2: Herborn – Breitscheid

Muckmäuschenstill war es letzte Nacht, ich habe geschlafen wie ein Murmeltier. Das gute Essen, der Wein und die Kanzlerwahldiskussionen und Diskussionsnachbereitungen am TV haben sicher zum tiefen Schlaf mitgeholfen.

Im Frühstückssaal sind wir die einzigen Wandergäste; jedenfalls stechen wir mit unseren kurzen Hosen ziemlich heraus. Das Lunchpaket können wir uns gleich selber am Buffet richten. Dann geht es schon bald los. Das Wetter ist herrlich, Spätsommer, eine angenehme Wärme empfängt uns schon 9 Uhr morgens.

Wir queren Herborn, die «Fachwerkperle an der Dill», wie sie sich selber nennt, und nehmen die erste Etappe des Westerwaldsteigs in Angriff. Die Route ist augezeichnet ausgeschildert, man kann nicht falsch gehen. Der Weg schlängelt sich stellenweise entlang der Bundesautobahn ins Nachbardorf, wo die erste Herausforderung auf uns wartet, der Weg ist nämlich mit rotweissem Plasticband mit dem Aufdruck «Lebensgefahr Jagd Nicht Queren» abgesperrt. Also queren wir nicht, sondern stechen durchs Unterholz auf einen anderen Weg, der uns später wieder auf die Originalroute führt. Die Autobahn unterqueren wir unter einem beeindruckenden Viadukt. Langsam wird das Rauschen leiser und die Natur mehr.

In Uckersdorf, nach etwa anderthalb Stunden, endet bereits unser Vorhaben, den Westerwaldsteig fehlerfrei abzuwandern. Mitten im Dorf verlieren wir vor lauter Büsistreicheln den Faden. Nach kurzem Suchen stossen wir wieder auf die Zeichen mit dem grünen geschwungenen W auf weissem Grund. Vermutlich haben wir die Orientierung auch deshalb verloren, weil unser Blutzucker im Keller war; also rasten wir bei einem der zahlreichen Bänke und verzehren unsere Sandwiches. Mittlerweile ist es bewölkt und etwas frisch geworden. Ist vielleicht doch etwas dran am lokalen Spruch, im Westerwald sei es neun Monate kalt und drei Monate Winter?

Wir lassen uns nicht beeindrucken und wandern weiter. Schon von weitem lärmt der Steinbruch von Erdbach. Das Dorf selber umgehen wir auf der Wanderroute, die uns zu drei prähistorischen Höhlen führt, die wir ebenfalls besichtigen. Auch Neandertaler sollen hier in der Gegend gelebt haben. Wir aber treffen keinen Menschen an, weder prähistorische noch aktuelle.

Kurz darauf treffen wir in Breitscheid ein, unserem ersten Etappenort. Hier müssen wir nochmals ordentlich gehen, bis wir die Pension gefunden haben, die sich direkt am Waldrand am Rand der Gemeinde befindet. Als wir ankommen, sind wir die einzigen Gäste. Schön ist’s und ruhig. Das ändert, als eine Gruppe älterer Amerikanerinnen die Pension in Beschlag nimmt.

Das ältere Ehepaar, das die Pension führt, gibt sich alle erdenkliche Mühe, unseren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Der Hausherr, immerhin 84 Jahre alt, besteht darauf, uns persönlich in die Gaststätte zu chauffieren, die er uns empfohlen hat. Im Landgasthof Ströhmann essen wir wunderbar gut und viel. Später lassen wir uns wieder von unseren «Chauffeur» abholen, weil er ausdrücklich darauf bestanden hat. Bei der Rückfahrt erzählt er uns von seinen Besuchen der Soldatenfriedhöfe in der Normandie. Wir sind beeindruckt.