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101 Täler

Vor fünf Jahren waren wir das letzte Mal im Tessin. Da vergisst man fast, wie schön es ist und wie gut es riecht. Gestern sind wir mit Zug und Bus nach Ascona gereist, haben im Romantikhotel Castello Seeschloss unser Zimmer bezogen, einen Spaziergang durch das Städtchen gemacht und fein zu Abend gegessen.

Heute wollen wir natürlich wandern, denn die Wetterprognose verspricht 20 Grad und wenn auch nicht wolkenlosen Himmel, so doch einige Sonnenstunden. Mit dem Bus fahren wir zur Station Solduno und nehmen dort die Centovallibahn nach Intragna. Der Wanderweg führt mitten durch den hübschen Dorfkern, vorbei an der markanten Kirche. Dann geht es auf dem alten gepflasterten Saumweg aufwärts. Sofort müssen wir unsere Jacken ausziehen – wir werden sie für den Rest des Tages nicht mehr brauchen. Es geht steil bergauf, am Anfang noch zwischen Häusern, dann immer mehr im Wald, und der Weg ist häufig übersät mit Kastanien und ihren stachligen Hüllen, die aussehen wie Seeigel. Viele Marroni hat es, glänzend dick und prall liegen sie da, und ich möchte sie am liebsten alle aufsammeln, so fein sehen sie aus. Irgendwann sehe ich sie auch von den Bäumen fallen, und als die erste haarscharf an meinem Kopf vorbeisaust, finde ich sie plötzlich ein bisschen weniger attraktiv.

Bald kommen wir nach Pila; man hätte dieses Örtchen auch per Seilbahn von Intragna aus erreichen können. Und weiter geht es bergauf, der Schweiss fliesst in Strömen. Aber der Blick ins Centovalli hinunter und teileweise bis zum Lago Maggiore entschädigt für die Mühen. Zudem zeigt sich der Herbstwald in den schönsten Farben, und auch die Sonne lugt ab und zu zwischen den Wolken hervor. Noch vor Calascio, das auf 1’013 Metern in einer Lichtung auf einem Sattel liegt, machen wir eine Pause und verzehren ein feines Sandwich aus dem Romantik-Lunchpaket.

Nun geht es nochmals gut zweihundert Meter hinauf, und dann folgen wir der Höhenkurve um den Aula, und zwar auf der Seite des Onsernonetals – der Hang ist steil und die Aussicht grossartig! Die Tessiner Höhenkurven erweisen sich als heimtückisch: Bald geht es wieder bergauf, wir müssen ja zurück Richtung Centovalli. Bei Madonna della Segna rasten wir noch einmal. Das Wetter ist immer schöner geworden, und wir können uns nicht sattsehen an der Farbenpracht der Wälder.

Dann folgt der Abstieg nach Verdasio. Die Bahnstation liegt ein gutes Stück unterhalb des Dorfes, und trotz des Rekordtempos, das wir vorlegen, verpassen wir das Bähnchen knapp. So heisst es eine Stunde warten. Wir nutzen die Zeit, um noch einmal so richtig Sonne zu tanken. Ich fürchte, es ist das letzte Mal dieses Jahr.

Fotos gibt es wie immer auf Picasa.

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