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Etappe 4 von Immenstadt nach Sonthofen

Eben wachgeworden, schalten wir den TV ein und schauen zu, wie die Schweizer Frauen gegen die Spanierinnen an der Fussball-WM untergehen. Es regnet; das passt grad dazu. Es regnet auch, als wir loswandern. Wir tragen die Regenvollmontur, denn der Wetterbericht verheisst für den Vormittag nichts Gutes.

Zügig steigen wir das Steigbachtobel hoch. Das Tobel ist nach dem schweren Hochwasser von 2006 massiv verbaut, das Wasser rauscht laut und schiesst über die betonierten Verbauungen. Von den Seiten ergiessen sich viele kleine Bäche ins Tobel, es ist alles nass.

Der Weg ist steil, und wir schwitzen wie die Pferde unter dem wasserdichten Regenzeugs; die langen Goretex-Hosen kleben an meinen Beinen und auch die Jackenärmel sind schon ganz durchnässt. An den Hängen wabert Nebel oder sind es Wolken?

Kurz vor der Alpe Gund. Das ist nicht der Bach, das ist der offizielle Wanderweg.

Nach zwei Stunden erreichen wir die Alpe Gund auf 1’500 Meter; es regnet noch immer, wir kaufen zwei Haferl ganz frisch gebrauten Kaffee; denn „ihr seids die ersten heut!“. Auf der Terrasse ist es empfindlich kühl, Brige beginnt etwas zu frösteln, dann trifft sie beinahe der Schlag, denn ein Dreikäsehoch, vermutlich der Sohn des Alpsenns, fährt mit seinem Velöli an uns vorbei, das Bürschlein trägt nur ein T-Shirt, eher kurze Hosen und ist barfuss … Das Leben auf der Alp härtet ab.

Ringsumher sehen wir nur Nebel, es regnet immer noch. Unsere Tagesetappe würde nochmals 200 Meter höher und dann über einen spektakulären und stellenweise ausgesetzten Grat führen, so richtig mit Drahtseilsicherungen und schöner Aussicht. Pffft. Nicht bei diesen Bedingungen. Wir beschliessen, auf einem anderen Route wieder nach Immenstadt abzusteigen und wandern auf einem Strässchen talwärts.

Plötzlich kommen uns aus dem Nebel Läuferinnen und Läufer mit Startnummern entgegen. Die bemitleidenswerten Sportler nehmen am Immenstädter Gebirgsmarathon teil; die haben sich die äusseren Bedingungen bei der Anmeldung sicher ziemlich anders vorgestellt. Bei einer Kapelle im Steigbachtobel rasten wir und verdrücken im Anbau unsere Sandwiches.

In der hölzernen Kapelle. Die war schon im dreissigjährigen Krieg Rückzugsort für die Immenstädter.
Stimmung gut! In der Hand: die Aprikose vom Frühstücksbuffet.
Die Alpe Hochried; Blick zurück ins Steigbachtobel. Hinten ist immer noch alles verhängt.

Dann geht es weiter. Wir umgehen Immenstadt und zielen direkt auf den Etappenort Sonthofen. Unsere neue Strecke führt über Neumummen, wo wir einen Blick in die Leprösen-Kapelle werfen, dann über Altmummen, wo wir ewig eine Über- oder Unterführung der Bahnstrecke suchen. Endlich gelangen wir an den Uferweg der Iller.

Die Iller bei Blaichach. („Iller, Lech, Isar, Inn fliessen rechts zur Donau hin“; ich habe keine Ahnung, woher ich diese Eselsbrücke kenne.)

Diesem folgen wir. Unterwegs stossen wir bei Blaichach auf den Inselsee, wo man mit mehreren Liftanlagen Wasserski fahren kann; das sieht spektakulär aus. Es herrscht hier trotz schlechten Wetters ordentlich Betrieb.

Sommerskifahren.

Die letzten Kilometer ziehen sich; wir folgen jetzt nicht mehr der Iller, sondern der Ostrach. Auch sie schiesst mit Getöse talwärts; wir hören zwischendurch, wie die Steine im Wasser aneinander stossen.

Auch die Ostrach führt viel Wasser.

In Sonthofen sind wir in einem eher schäbigen Aussenquartier untergebracht, wir werden zwei Nächte in einem Hotel Garni verbringen, das schon ziemlich in die Jahre gekommen ist. In unserem Zimmer herrscht Eiche vor.

Eiche furniert, wohin das Auge blickt.

Bei der Zimmerschlüsselübergabe werden wir informiert, dass es in Sonthofen eigentlich gar keine Konditorei mehr gebe und vernünftig essen in der Nähe sei schwierig, da komme höchstens der Italiener in Frage. Das sind ja tolle Aussichten für die nächsten zwei Tage.

Da wir auch heute wieder 22 Kilometer gewandert sind, mögen wir nicht noch einen Kilometer ins Zentrum gehen, also statten wir dem erwähnten Italiener einen Besuch ab. Es ist sehr unterhaltsam, gemischtes Publikum, vor uns sitzt ein älteres Paar, das sich fein herausgeputzt hat für das Essen, draussen brüllt ein Rotzlöffel, dessen entnervter Vater ihm droht, er kriege gleich eine gesemmelt, wenn er nicht sofort aufhöre, und dann beginnt sich Brige vor Lachen auszuschütten, weil hinter mir einer reinkommt und seine bestellten Pizzas abholen will. Er trägt an den Füssen, nun, aussergewöhnliche Schuhe, eine Art Clogs mit einem langhaarigen Kuhfellbezug (Foto typgleich). Die Pizza kommt aus dem Holzofen und schmeckt ausgezeichnet.

Zurück im Hotel erreicht uns noch eine schöne Nachricht, Brige hat ihre Pflanzenbestimmungsprüfung (Zertifikat 200; „Bellis“) mit Auszeichnung bestanden!

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  • Evi 5. August 2023, 21:48, 21:48

    Ganz herzliche Gratulation zum bellis Zertifikat. Hoffentlich könnt ihr weitere Blüemli bei etwas besserem Wetter geniessen. Ich verfolge eure interessanten Berichte natürlich jeden Tag – mit etwas
    Wehmut auch. Gerhard und ich waren vor langer Zeit einmal ein paar Tage in der Gegend unterwegs.

    Ich wünsche euch besseres Wetter und häbed Sorg.