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Rothaarsteig Etappe 2 von Willingen nach Winterberg

Der Blick am Morgen aus dem Fenster verheisst nichts Gutes. Der Himmel ist wolkenverhangen, man sieht kaum über das Tal und es regnet stark. Zudem ist es empfindlich kühl. Nun, abwarten. Gemäss Wetterbericht soll es um 10 Uhr besser werden. Also lassen wir uns Zeit am Frühstücksbuffet. Und tatsächlich beginnt es aufzuklaren. Die nette Wirtin versorgt uns mit Getränken für unsere heutige Etappe, wir diskutieren über die Schweizer Skispringer Simon Ammann („wie ein Ziehsohn für uns“) und Andreas Küttel („auch so ein netter Bursche“) und lassen uns anschliessend vom Wirt in die Nähe des Richtplatzes von gestern fahren. Das spart uns einige Höhenmeter auf Asphalt.

Der kurze Anstieg auf dem geschotterten Waldweg bis zum Richtplatz treibt uns den Schweiss aus den Poren; die Jacken müssen weg!

Wieder beim Richtplatz.
Wieder beim Richtplatz.

Der Wanderweg führt entlang der Grenze zwischen den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Hessen. Immer wieder stossen wir auf Grenzsteine.

Auf dem Grenzweg zwischen Nordrhein-Westfalen und Hessen.
Auf dem Grenzweg zwischen Nordrhein-Westfalen und Hessen.

Das Wetter wird schneller besser als prognostiziert. Uns ist’s recht; sonnig und noch nicht zu heiss, perfekt zum Wandern.

Blauer Himmel vor dem Langenberg.
Blauer Himmel vor dem Langenberg.

Durch ein schönes Waldstück erreichen wir den Langenberg, den höchsten Punkt in Nordrhein-Westfalen und der höchste Punkt unserer ganzen Wandertour. Die zwei Harasse hinter dem Stein wecken Briges Interesse. Da hat es noch volle Mineralwasserflaschen, und weit und breit ist niemand zu sehen …

Nun, wir beide haben genügend Wasser dabei. Ich vor allem, denn gestern habe ich ich mich schier vergiftet unterwegs. Ich habe gestern früh meine Trinkflasche im Hotel mit Hahnenburger gefüllt und mich unterwegs über den seltsamen Geschmack gewundert. Bei der zweiten Pause schmeckte es noch scheusslicher, worauf ich die Flasche genauer betrachtete. Pfui Teufel, am Boden war ein Schimmelbelag und im Wasser schwebten Flocken … Also alles ausgeleert und die Trinkflasche entsorgt.

Auf dem Langenberg; 843 Meter über Meer.
Auf dem Langenberg; 843 Meter über Normalnull.

Etwas später erreichen wir die Hochheide-Hütte, wo eine grosse Schaf- und Geissenherde am Fressen ist. Bei der Hütte ist nicht viel los. Eine Gruppe älterer, fitter Frauen beginnt bei der Hütte wohl grad eine Wanderung. Die Chefin löst sich aus der Gruppe und steuert direkt auf mich zu. „Junger Mann! Können Sie eine Foto von uns machen?“. Ich erwidere mit einem Lachen: „Für fünf Euro mache ich das gern!“ Nun sind die Deutschen ja nicht auf den Mund gefallen, und sie kontert schlagfertig: „Dann machen Sie aber zuerst ein Bild von vorn mit der Hütte im Hintergrund und dann ein zweites mit der Aussicht!“ Aber gerne.

Schafe bei der Hochheide-Hütte.
Schafe bei der Hochheide-Hütte.

Die Route führt von der Hütte zum Clemensberg, wo man einen tollen Ausblick hat. Direkt unter uns befindet sich ein Steinbruch, wo Diabas abgebaut wird. Das vulkanische, harte Gestein wird als Schotter oder als Grabstein verwendet

Blick in den Diabas-Steinbruch.
Blick in den Diabas-Steinbruch.

Immer wieder passieren wir kleinere und grössere Pfützen auf dem Rothaarsteig. Gewisse Pfützen sind so beständig, dass sich Molche darin tummeln. Und das verträgt sich schlecht mit den Radfahrern, die auch auf Abschnitten dieser Route unterwegs sind.

Keine Texttafel ohne Ausrufezeichen.
Keine Texttafel ohne Ausrufezeichen.

Nach zwei Stunden beginnt der Magen zu knurren. Gut, dass es so viele Sitzgelegenheiten hat. Kurz vor Küstelberg verzehren wir die Eingeklemmten und trinken klares, wohlschmeckendes Wasser aus sauberen Flaschen … Beim Rasten höre ich in der Höhe einen Vogel seltsam zwitschern, ausmachen kann ich ihn aber nicht. Vor einigen Wochen habe ich eine App auf meinem Mobiltelefon installiert, mit der man Vogelstimmen identifizieren kann. Also wird das gleich getestet: wir hören a) eine Feldlerche und b) eine Goldammer!

Mittagsrast kurz vor Küstelberg.
Mittagsrast kurz vor Küstelberg.

Küstelberg ist unserer Meinung nach die Weltmetropole für die Produktion von Weihnachtsbäumen. Wir haben noch nie so grosse Areale mit Tannen in allen Grössen gesehen. Aber auch sonst ist es schön in der Nähe von Küstelberg. Etwa der Blick über Wiesen in die Ferne.

Blick ins Orketal.
Blick ins Orketal.

Noch immer bewegen wir uns in einer Höhe zwischen 600 und 700 Meter über Meer. Etwa fünf Kilometer nach Küstelberg geht es dann runter ins Orketal. Wir überqueren eine Strasse, wo halsbrecherisch schnell gefahren wird, und gelangen auf der anderen Seite auf den Parkplatz für die Besucher der Ruhr-Quelle. Ein kurzer Spaziergang führt vom Parkplatz zur Quelle, die 2006 neu gefasst und gestaltet worden ist. Die Ruhr ist hier kaum mehr als ein Rinnsal; es tröpfelt nur und wir schätzen, dass es wohl eine Minute dauert, bis ein Litergefäss voll wird. Knapp 220 km westlich von hier mündet der Fluss bei Duisburg in den Rhein.

Wir steigen den Weg neben der Quelle hoch und biegen Richtung Winterberg ab. Nach wenigen Schritten kommt uns eine ziemlich abgekämpfte Frau entgegen. „Bitte, wo ist denn diese Quelle? Mein Mann und ich suchen sie schon die ganze Zeit!“. Wir können helfen und wünschen gutes Gelingen.

Die Ruhr-Quelle.
Die Ruhr-Quelle.

Wer mit einer Iris-zertifizierten Begleitperson unterwegs ist, die auf das Dryas-Zertifikat aspiriert, der hat das Geschenk. Ich lerne viel. Wir sehen tolle Gräser, richtig grosse zartrosa Wolken mit Haar-Straussgras (Agrostis capillaris), meistens begleitet von einem anderen Gras, der Draht-Schmiele (Avenella flexuosa). Dann ist wirklich alles voll mit violettem Fingerhut und wir treffen roten Holunder an und Himbeeren hat es auch überall.

Roter Holunder (Sambucus racemosa).
Roter Holunder (Sambucus racemosa).
Himbeere (Rubus idaeus).
Himbeere (Rubus idaeus).

Müde, aber zufrieden kommen wir in Winterberg an, wo Brige unbedingt ein Kuchenstück benötigt, bevor wir ins Hotel gehen können. Wir setzen uns in ein Café am Hauptplatz und entspannen. Winterberg ist ja international bekannt als Wintersportort. 26 Skilifte, es sieht im Winter aus wie in St. Moritz!

Nach dem Einchecken und Duschen im Hotel geht es wieder raus und rein in die Winterberger Gastronomie. Wieder am Hauptplatz verzehren wir einen feinen Salat und einen Wrap mit Pommes. Dass die Biere in diesem Land gut sind, ist kein Geheimnis. Vorgestern genoss ich ein Paderborner Pilger naturtrüb, gestern gab’s ein Willinger Landbier Dunkel und heute ein Schlösser Alt aus Duisburg.
Prost!

Schlösser Alt.
Schlösser Alt.